Historisches Sachsen
Das Portal für die Schlösser, Burgen und historischen Ruinen im Freistaat Sachsen
Schönefeld   
 
Allgemeines
 
Information

Leipzig

Beschreibung
In Schönefeld war der kleine Fluss Parthe von großer Bedeutung für die Entwicklung der an ihren Ufern gelegenen Siedlung. Durch die von der Parthe herbeigeführten Wassermassen entstanden Sümpfe und machten eine verkehrsmäßig Erschließung des Dorfes lange Zeit fast unmöglich. Nur eine Furt bot die Gelegenheit, den Fluss zu überqueren. So bildete die Parthe über weite Strecken eine natürliche Begrenzung der Gemarkung des Dorfes. Auch das Rittergut war durch Parthe und den Schönefelder Bach auf drei Seiten vom Wasser umgeben.
Über viele Jahre bestimmte die Familie von Thümmel, die bereits 1404 mit Schönefeld belehnt wurde, die Entwicklung des Ortes. 1604 errichtete die Familie auch ein erstes, wohl noch kastellähnliches Herrenhaus. Doch der Zeitpunkt seiner Erbauung war ungünstig. Schönefeld wurde - wie viele andere Dörfer auch - im Dreißigjährigen Krieg arg in Mitleidenschaft gezogen. Im Herrenhaus quartierten sich 1632 sogar Wallensteins Truppen ein, die auf die friedliche Übergabe der Stadt Leipzig an die Kaiserlichen warteten. Dessen ungeachtet entstand 1701 unter Gutsbesitzer Georg Heinrich von Thümmel der Vorgängerbau des heutigen Schlosses. Das barocke Herrenhaus besaß einen quadratischen Grundriss mit kleinem Lichthof und war von Wassergräben umgeben. Wenngleich ein Lustgarten mit Orangerie und Statuen erst zum Ende des 18. Jahrhunderts nachweisbar ist, ließ der Gutsbesitzer wohl schon im Zusammenhang mit dem Neubau des Schlosses südlich des Rittergutes einen Garten anlegen. Dem Gartenideal der damaligen Zeit entsprechend wurde dieser mit einem rechtwinkeligen Wegesystem ausgestaltet, welches gut mit der damals noch nicht begradigten Parthe harmonierte. Beiderseits des Herrenhauses entstanden Parterres. Eine südliche Blickachse richtete sich auf die erste Bockwindmühle Sachsens.
Kriegsschäden und Plünderungen durch preußische Truppen im 2. Schlesischen Krieg führten bei der Familie von Thümmel jedoch zur Geldnot. Schließlich verkaufte Carl Heinrich von Thümmel Mitte des 18. Jahrhunderts das Rittergut an den Hofrat Johann Friedrich Zeumer.
In der Folgezeit wechselten häufig die Besitzer. Ereignisreich waren noch einmal die Tage während der Völkerschlacht 1813. Das Gut war im Oktober von Teilen eines französischen Korps unter Marschall Michel Ney besetzt. Barrikaden und Schießscharten verwandelten die Gebäude in eine Festung. Als die Stellung der Franzosen gegenüber den Russen immer bedrohlicher wurde, gab Marschall Ney den Befehl, das Gut anzuzünden. Dem umgreifenden Feuer hatten der Besitzer Johann Ulrich Schneider und seine Bediensteten nichts entgegenzusetzen. Das Gut brannte fast vollständig nieder, Tiere verendeten, das Herrenhaus war zerstört.
Als Johann Ulrich Schneider im Mai 1815 starb, war seine Tochter Marianne Wilhelmine die einzige Erbin. Sie heiratete im Dezember 1815 den Königlich-Großbritannischen Kapitän der Armee Freiherrn Franz Botho von Eberstein. 1849 starb Marianne von Eberstein, und ihre Tochter Clara Hedwig von Eberstein wurde nunmehr Besitzerin des Ritterguts. Obwohl die neue Herrin nicht unvermögend war und ihr Vermögen auch durch Verkäufe von Feldgrundstücken an die Stadt Leipzig vergrößern konnte, führte sie ein sehr anspruchsloses Leben. Ihre einzige Leidenschaft war das Reisen. So brachte sie aus allen Erdteilen natur- und völkerkundliche Gegenstände mit, die in Schönefeld unterkamen. Ihr Vermögen gestattete es auch, das in der Völkerschlacht zerstörte Herrenhaus zu ersetzen. So entstand in den Jahren 1871-76 nach Entwürfen des Architekten Bruno Leopold Grimm ein neues Schloss im Stil des französischen Neobarocks. Markant ist der quadratische Uhrturm mit spitzem Helm in der Mittelachse des Schlosses. Zwei Seitenrisalite beleben den neunachsigen zweigeschossigen Bau. Sein Mansarddach gliedern neobarocke Gauben. Freitreppen und Terrassen an den Hof- und Gartenseiten erschließen das Hauptgeschoss. Schmiedeeiserne Balkone über den Portalen betonen den herrschaftlichen Charakter des Anwesens. Flankiert wird das Gebäude zum Rittergutshof durch die ehemalige Orangerie und das Kutscherhaus.
Auch den in der Völkerschlacht verwüsteten Garten ließ Clara Hedwig von Eberstein um 1890 neu gestalten. Die Parthe wurde begradigt und der direkt am Schloss vorbeiführende Nebenarm verfüllt. Naturnahe Wegeführungen und die Umgestaltung von Teich und Gehölzen harmonisierten Schloss und Landschaft. Noch heute lässt der Schlosspark die Wirkung des romantischen Landschaftsgartens von 1890 erahnen. Ein Großteil des Baumbestandes geht auf diese Zeit zurück oder ist bereits älter.
Im Auftrag der Baronesse Hedwig von Eberstein wurde 1883 neben der Schönefelder Kirche auch eine Begräbnisstätte in der Form einer Pyramide aus dunklem Granit mit einer gewaltigen Grufthalle im Inneren als Ruhestätte der Familien Schneider und von Eberstein erbaut. Die Anregung dazu hatte sie sicher von einer Ägyptenreise mitgebracht. Darüber hinaus dürfte die Grabpyramide des Reichsgrafen von Lindenau im nahen Schlosspark von Machern sowie die Seepyramide des Fürsten von Pückler in Branitz die Entscheidung der Baronesse beeinflusst haben. Den Eingang bewachten ursprünglich zwei bronzene Löwen, die ägyptischen Sphinxen ähnelten und heute nicht mehr vorhanden sind.
Bekannt geworden ist Hedwig von Eberstein durch die "Mariannenstiftung". Aus Trotz, dass ihr ein Neffe ein gewünschtes Darlehn verweigert hatte, beschloss sie 1881, ihr gesamtes Vermögen nach ihrem Tode für die Einrichtung einer Versorgungsstätte für unbemittelte Töchter hoher Zivilstaatsbeamter und Militärs im Schloss einzusetzen. Den Namen der Stiftung widmete die unverheiratete und kinderlose Baronesse ihrer Mutter Marianne Freifrau von Eberstein. Hedwig von Eberstein starb im Oktober 1900. Ihre Stiftung trat zwei Jahre später in Kraft.
Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges und dem Einmarsch sowjetischer Truppen wurden die Stiftsangehörigen aufgefordert, das Heim zu verlassen. In das Schloss zog zunächst die sowjetische Bezirkskommandantur ein, ab 1949 betrieb die Stadt Leipzig darin ein Alten- und Pflegeheim. Der Grundbesitz wurde an Neubauern verteilt, Restflächen der Stadt Leipzig übertragen.
Mit der Etablierung des Pflegeheims entstand 1972 auch eine Pflegestation für schwerst- und mehrfach behinderte Kinder. Doch die sich von Jahr zu Jahr verschlechternden baulichen Bedingungen führten 1990 zur vorübergehenden Schließung der Pflegeeinrichtung. Erst nach einer umfassenden Sanierung konnte 1994 die heutige Förderschule für Kinder und Jugendliche mit Behinderung neu übergeben werden.
 
Bildergalerie
Schloss Schönefeld
www.historisches-sachsen.net